© 2020 transcript Verlag

Kultur-Erbe-Ethik
„Heritage“ im Wandel gesellschatlicher Orientierungen

 

HG. Reinhard Kren / Monika Leisch-Kiesl

Paperback, 486 Seiten
transcript Verlag, Bielefeld 2020

ISBN 978-3-8376-5338-0
€ 49.-

Kultur-Erbe-Ethik

Festschrift für Wilfried Lipp zum 75-er

Zahlreiche unterschiedlich geformte, eigenfarbige Steine können – klug zusammengefügt – ein aussagekräftiges Mosaikbild ergeben. Angesichts der jüngst publizierten Festschrift für Wilfried Lipp drängt sich unwillkürlich diese Assoziation auf.

Vielfältige Beiträge in deutscher und englischer Sprache widerspiegeln seine internationalen Beziehungen. Eingangs erläutern die Herausgeber Monika Leisch-Kiesl und Reinhard Kren die der Publikation zugrunde gelegten Prinzipien und den Entstehungsprozess. Während viele Autoren ihre Gedanken in der traditionellen Form von Fachartikeln oder Essays präsentieren, entschieden sich andere für Interviews oder fiktive Dialoge. Kurze Texte – als „Statement“ bezeichnet und in kursiver Schrift gedruckt – reflektieren persönliche Beziehungen des Verfassers oder der Verfasserin zu Wilfried Lipp, zu seinen Forschungen und/oder seinen beruflichen Tätigkeiten und von ihm vertretenen Thesen.

Die vielgestaltigen Beiträge sind in neun Kapitel zur historischen und aktuellen Denkmalphilosophie, zu Erhaltungskonzepten und zur Praxis in einzelnen Ländern gruppiert und reichen bis zum globalen Horizont des UNESCO-Welterbes. Mehrere Autoren zeigen die Entwicklung vom gesetzlich normierten Denkmalbegriff, wie er von der jeweiligen staatlichen Verwaltung zu vertreten ist, zum von einzelnen sozialen Gruppen definierten und damit mehrdeutigen „Erbe/Heritage“. Hochaktuell sind die komplexen Herausforderungen an alle Beteiligten („stakeholders“) besonders bei UNESCO-Welterbestätten mit ihrer Selbstverpflichtung.

Der Umgang mit historischem Erbe birgt viele Stolpersteine, und so sind historische Bauwerke oft Zeugen für schmerzhafte geschichtliche Abläufe. Die Rekonstruktion von Hüllen wird als fragwürdig gesehen. Gesellschaftliche und politische Vorgänge spielen dabei im Hintergrund eine Rolle und unversehens landet man „mittendrin im spannenden Geflecht von Wirtschaft, Politik und Kultur“ (Georg Spiegelfeld). Sehr konkret wird es, wenn in der Festschrift ein „5-Punkte-Programm“ zur Beendigung der Rolle von Denkmaleigentümern als „Dauer-Bittsteller“ für „staatliche Ermessenssubventionen“ angeregt wird (der eben Genannte im Gespräch mit Christoph Leitl). Michael Hainisch (von 1920-1928 im Amt) setzte und unterstützte als Parteifreier und heute weithin „vergessener Bundespräsident“ (Wilfried Posch) viele kulturelle Initiativen. Er förderte unter anderem den politischen Prozess zum Beschluss des bis heute gültigen Denkmalschutzgesetzes in Österreich.

Angesichts dieses „Vorbilds“ sowie der Grußworte von Landeshauptmann Thomas Stelzer und von Franz Gruber, Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz, vermisst der aufmerksame Leser vermutlich erst auf den zweiten Blick eindeutige aktuelle Positionierungen durch aktuelle Amtsträger von Denkmal- und Ortsbildschutz in Österreich.

Die Festschrift mit einem Schriftenverzeichnis von Wilfried Lipp und aufgelisteten internationalen Dokumenten zu Denkmalschutz, Kunst- und Kulturerbe und den damit zusammenhängenden Experten- und Politikfeldern im Anhang, vermittelt dem Leser viele, auch weniger bekannte Facetten. Die Lektüre der Beiträge von mehr als fünfzig Autoren bildet eine Fundgrube für interessierte Theoretiker und Praktiker in Kunstgeschichte, Kulturtheorie und -politik sowie Denkmalpflege.

Bruno Maldoner

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