Kulmbacher Güterbahnhof

- oder wie ändern wir unseren Umgang mit Bestandsgebäuden

Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege betrachtet die Diskussionen um den Kulmbacher Güterbahnhof mit großer Skepsis. Professor Florian Nagler, vielfach preisgekrönter Architekt und Mitglied im Vorstand des Vereins, hat das Gebäude in Augenschein genommen. Hier seine Stellungnahme:

„Als Inhaber des Lehrstuhls für Entwerfen und Konstruieren an der TU München beschäftige ich mich seit vielen Jahren – neben anderen Aspekten – mit der Fragestellung, wie wir jetzt und künftig beim Bauen verantwortungsvoll mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen umgehen sollten. Als Mitinhaber eines Architekturbüros blicke ich auf 25 Jahre Erfahrung bei Umbauprojekten – viele davon Denkmäler – zurück. Die Frage, ob der Güterbahnhof in Kulmbach ein Denkmal ist oder nicht, wurde vom Landesdenkmalamt zuletzt ja positiv beantwortet, ist aber für meine Betrachtung gar nicht entscheidend. Seit langem schon wird immer klarer, dass wir von der zur Routine gewordenen Praxis des unreflektierten Abreißens und neu Bauens – eine Praxis, die erst durch das enorme Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit so richtig Fahrt aufgenommen hat – wieder wegkommen müssen. Wir müssen wieder lernen, den Gebäudebestand als Raum- und aber auch Materialressource zu begreifen. In früheren Jahrhunderten war das – meist aus ökonomischen Gründen – selbstverständliche Praxis. Material war in der Regel teuer und nur aufwändig zu beschaffen und wurde daher sparsam eingesetzt und nach Möglichkeit weiter- und wiederverwendet. Vor diesem Hintergrund erscheint mir der geplante Beschluss, den Güterbahnhof in Kulmbach abzureißen, fast aus der Zeit gefallen zu sein.

Bestandsgebäude speichern aber nicht nur Ressourcen und Graue Energie, sie transportieren auch Geschichte, haben Charakter und bewahren Identität. Der Güterbahnhof in Kulmbach ist, seiner ursprünglichen Nutzung entsprechend, ein klug und angemessen geplantes und gebautes Gebäude mit einfachen, aber guten Proportionen, sinnvollen Details und schönen Materialien, die robust und dauerhaft sind. Sicher wird die Beseitigung von Altlasten erforderlich und vielleicht auch aufwändig sein. Das ist aber kein besonders starkes Argument für den Abbruch, da Altlasten heutzutage auch bei einer Abbruchmaßnahme sorgfältig beprobt und entsorgt werden müssen. Die Struktur des Gebäudes, die auch größere Räume und Raumfolgen zulässt, erscheint mir für ein (vielleicht sogar zentrales) Gebäude einer Hochschule geradezu prädestiniert zu sein. Der Güterbahnhof könnte das identitätsstiftende zentrale Gebäude eines Campus sein, der dadurch hervorragend eine Verbindung mit dem Ort und seiner Geschichte eingehen könnte.

Meiner Kenntnis nach liegt bisher keine konkrete städtebauliche oder gar architektonische Planung vor. Das allermindeste müsste doch sein, in einem anstehenden Wettbewerb zur Gestaltung des Areals die Option ‚Erhalt des Güterbahnhofs‘ zu prüfen und die Teilnehmenden am Wettbewerb zu bitten, den Erhalt mit in ihre Überlegungen einfließen zu lassen – ergebnisoffen. Dann wird sich zeigen, wie leistungsfähig das Gebäude des ehemaligen Güterbahnhofs ist und ob es eine Chance auf eine Zukunft hat.“

Hintergrund:
Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege e.V. ist seit seiner Gründung im Jahr 1902 bemüht, sichtbare Werte des natürlichen und gebauten Erbes zu bewahren und für die Zukunft weiterzuentwickeln – ohne die Vergangenheit zu verklären, sondern mit dem Wissen um heutige Landschaften und Siedlungen. Der Erhalt und die Neubelebung historischer Bausubstanz stellen einen wesentlichen Beitrag innerhalb der gesamten heimatpflegerischen Arbeit dar.

Ansprechpartner:
Dr. Rudolf Neumaier
Geschäftsführer
Telefon 089 286629-0

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